Tätigkeitsschwerpunkt „Rechtsschutz gegen Finanzämter“?

Artikel in der NWB, der meistabonnierten Fachzeitschrift für Steuerrecht, vom 30.06.2014

 

In mehreren Entscheidungen haben sich Berufsgerichte über fünf Jahre damit auseinandergesetzt, ob ein Steuerberater den Tätigkeitsschwerpunkt „Rechtsschutz gegen Finanzämter“ haben kann und damit auf seinem Kanzleischild werben darf. Es wird das Klischee bedient, nachdem die Finanzämter grds. unrechtmäßig handeln und dass der Steuerberater konsequent gegen diesen Missstand angeht. Die Steuerberaterkammer und die Berufsgerichte haben dabei widersprüchliche Aussagen getroffen und Mühe bewiesen, den Fall eindeutig den berufsrechtlichen Normen zuzuweisen.

I. Das Kanzleischild und die Bedenken der Steuerberaterkammer
Der Steuerberater hat sich ganz untypisch schwerpunktmäßig auf die Abgabenordnung, Verfahrensvorschriften der Einzelgesetze, Finanzgerichtsordnung und Vollstreckungshandlungen der Finanzbehörden konzentriert. Um dies dem ratsuchenden Publikum verständlich und knapp zu umschreiben, brachte er den Zusatz „Rechtsschutz gegen Finanzämter“ auf seinem Kanzleischild an. Der Zusatz war deutlich räumlich durch Telefonnummer von der Berufsbezeichnung getrennt und in einem eigenen Rahmen angebracht.
Die zuständige Kammer forderte den Steuerberater in mehreren Schreiben mit Fristsetzung zur Umgestaltung des Schilds auf. Dabei berief sich die Geschäftsführerin der Kammer zunächst auf § 18 Abs. 1 BOStB a. F., wonach ein Kanzleischild weder reklamehaft noch irreführend sein darf. Dagegen wendete sich der Steuerberater, es handele sich dabei lediglich um die Angabe eines Tätigkeitsschwerpunkts, der schon per se nicht verboten sei. Auch sei die Angabe neutral, ohne wertende und ohne vergleichende Aussagen, gar besser oder erfolgreicher als andere zu sein. Es werde auch kein Erfolg versprochen.
Nach einer Präsidiumssitzung nahm die Kammer zunächst Abstand von ihrem Verweis auf § 18 BOStB a. F. Die Tätigkeit des Steuerberaters ergebe sich aus § 33 StBerG, der die Aufgaben so umreiße, dass es keinen solchen Schwerpunkt geben könne, aus diesem Grunde sei der Hinweis unsachlich. Für vertretbar hielt es die Kammer hingegen, den Zusatz „Vertretung vor Finanzgerichten“ anzubringen. Dem Steuerberater war dies zu einengend. Er bat darum, ihm einen gerichtlichen  Rechtsweg aufzuweisen, ohne aber in die Gefahr einer berufsrechtlichen Berufspflichtverletzung zu geraten.

Die Kammer präzisierte, dass es die Aufzählung der in § 33 StBerG genannten Tätigkeiten als Zusammenfassung nicht erlaube, von „Rechtsschutz gegen Finanzämter“ zu sprechen, und daher reklamehaft sei. Irreführend sei der Zusatz, weil dies mit Versicherungen in Zusammenhang gebracht werden könnte, welche der Steuerberater nicht anbieten dürfe. Außerdem sei es dem Steuerberater verwehrt, Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) gegenüber den Finanzämtern geltend zu machen, was nämlich ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz wäre. Im Weiteren erkannte die Geschäftsführerin der Kammer eine Wettbewerbsverzerrung (§ 4 Nr. 11 UWG) und somit eine Verletzung von § 57 Abs. 1 StBerG. Dagegen wendete der Steuerberater ein, dass § 4 Nr. 11 UWG das Interesse und den fairen Umgang der Marktteilnehmer regele, die Finanzämter aber keine Marktteilnehmer der steuerberatenden Berufe seien. Ein Verstoß gegen § 57 StBerG könne daher nicht vorliegen. Der Kammer sei es verwehrt, eine Unterlassung nach dem UWG zu verlangen. Ferner könne er eine Irreführung des Publikums mit einer Rechtsschutzversicherung nicht erkennen.
Hinweis
Die außergerichtliche Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen Finanzämter stellt eine Nebenleistung dar, die erlaubt ist und mit ihrem Inhalt im
sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit der Steuerberatung steht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 RDG). Jeder Steuerberater hat hierzu die erforderlichen Sach- und
Rechtskenntnisse, wenn diese Amtspflichtverletzung auf der Fehlbehandlung eines Steuerfalls beruht (s. a. Nieland, Die Steuerberatung, 2009, S. 128).
Die denkbaren Verstöße gegen das UWG und RDG ließ die Kammer wieder fallen. Nach weiterer Präsidiumssitzung kam das Präsidium der Kammer zu dem Ergebnis, der Steuerberater verstoße gegen § 43 Abs. 2 StBerG, denn er führe insoweit eine weitere Berufsbezeichnung im Zusammenhang mit dem Titel „Steuerberater“. Mit dieser Begründung – Verstoß gegen § 43 Abs. 2 StBerG und § 18 BOStB – beantragte die Kammer die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens.

II. Landgericht sieht „Rechtsschutz“ als zulässige Tätigkeit
Hinweis
Im weiteren Zeitablauf hatte die Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer vom 8. 9. 2010 eine grundlegende Überarbeitung der BOStB und deren
Werberegelungen beschlossen, die insbesondere überflüssig, überholt und nicht mehr zeitgemäß waren – so auch die Vorschrift des § 18 BOStB mit dem unscharfen
Begriff der „Reklamehaftigkeit“. Das LG Karlsruhe gab dem Steuerberater in vollem Umfang Recht und lehnte die Eröffnung
eines Hauptverfahrens ab (LG Karlsruhe, Beschluss vom 20. 10. 2010 – StL 2/10, 3 StV 11/10).
In dem Begriff „Rechtsschutz gegen Finanzämter“ liege grammatikalisch keine Berufsbezeichnung, die von § 43 Abs. 2 StBerG erfasst werde. Der Tätigkeitshinweis unterrichte weder in Form noch im Inhalt unsachlich, da die Vertretung gegenüber dem Finanzamt zur Tätigkeit des Steuerberaters gehöre (§ 33 StBerG). Die Formulierung sei auch weder reklamehaft noch irreführend, die Gefahr, dass das rechtssuchende Publikum einer Verwechselung mit einer Rechtsschutzversicherung unterliege, bestehe nicht.
Rechtsschutz gegen Finanzämter gehöre zur selbstverständlichen Tätigkeit eines Steuerberaters. Dies sei nur dann irreführend, wenn es als besonderes Angebot suggeriert würde, was andere Steuerberater nicht anböten. Dies würde aber gerade nicht mit einem expliziten Zusatz „Schwerpunkttätigkeit“ suggeriert.

III. Generalstaatsanwaltschaft entwirft Idealtypus des Steuerberaters
Die darauffolgende Beschwerdeschrift der Generalstaatsanwaltschaft bezog sich explizit auf eine unzulässige Berufsbezeichnung nach § 43 Abs. 2 StBerG, welche eng mit dem „Berufsverbot der berufswidrigen Werbung“ zusammenhänge. Der verwendete Zusatz „Rechtsschutz gegen Finanzämter“ erwecke irreführende  Vorstellungen über das Wesen des Steuerberaters. In der Beschwerdeschrift vom 9. 11. 2010 interpretierte die Generalstaatsanwaltschaft:
„Der verwendete Hinweis impliziert aus der Sicht des unbefangenen Publikums, dass Verwaltungsakte (Steuerbescheide) der Finanzämter den Bürger grundsätzlich unangemessen benachteiligen können, rechtswidrig in seine Rechte eingreifen, dieser Steuerberater aber im Gegensatz zu anderen Berufsangehörigen es sich zum Ziel gemacht hat, derartige hoheitliche Eingriffe in die Rechte seiner Mandanten nicht hinzunehmen, sondern sich vielmehr streitbar für diese einzusetzen, sie vor solchen Eingriffen der Finanzverwaltung zu schützen und dagegen vorzugehen.“
In diesen Aussagen vermochte der Steuerberater keinen Vorwurf zu erkennen und verwehrte sich nur dagegen, dass er Kollegen herabsetzen würde. Ein ebensolches Engagement sprach er anderen Steuerberatern auch zu. Er erkannte hierin die Formulierung eines idealtypischen Vertreters und stimmte also der Interpretation der Generalstaatsanwaltschaft im Wesentlichen zu.
Das OLG Karlsruhe ließ dann in seinem Beschluss vom 23. 1. 2012 – StO 1/10 die Eröffnung des Hauptverfahrens zu. Es liege nach vorläufiger Bewertung eine Berufsbezeichnung vor (§ 43 Abs. 2 StBerG), die auch gegen § 57a StBerG verstoße. Die Vertretung gegenüber den Steuerbehörden gehöre zu den elementaren und alltäglichen Aufgaben eines jeden Steuerberaters. Aus diesem Grunde könne die Hervorhebung nicht die Bezeichnung eines besonderen Tätigkeitfelds sein.
Außerdem betonte das OLG Karlsruhe, dass diese Diktion ein pauschales Misstrauen gegen die Rechtmäßigkeit des Handelns der Finanzämter erwecken könne. Das sei aber in einer solchen Allgemeinheit nicht erlaubt. Ein Steuerberater könne zur Gewährung von Rechtsschutz nichts beitragen, dazu seien die Instanzen der Gerichte berufen.

IV. Landgericht und Oberlandesgericht widersprechen sich
Das LG Karlsruhe (Urteil vom 13. 6. 2013 – StL 2/10), in anderer Besetzung, schloss sich nun ausdrücklich dem Beschwerdebeschluss an, es handele sich um eine Berufsbezeichnung unter Verletzung von § 43 Abs. 2 StBerG. Eine Geldstrafe lehnte das Landgericht aber in Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft ab, die Verletzung sei nicht intensiv. Der Steuerberater bediene ferner das Klischee in der Bevölkerung, nachdem die Finanzämter (grds.) unrechtmäßig handeln. Eine Irreführung nach § 57a StBerG entstünde dadurch, dass er besonders konsequent gegen diesen Missstand vorgehe, und zwar anders als seine Berufskollegen. Vertretung vor Finanzgerichten und der Rechtsschutz in Bezug zu den Verwaltungsakten der Finanzämter gehöre zu den Kerntätigkeiten eines jeden Steuerberaters.
Der Steuerberater ging hiergegen in die Berufung. Er argumentierte, dass es keinesfalls zu den alltäglichen Aufgaben gehöre, Finanzgerichtsprozesse zu führen und sich intensiv mit komplizierten Fragen der Abgabenordnungsfragen auseinanderzusetzen. Im Übrigen sei es keine Berufspflichtverletzung, wenn ein Steuerberater sich eine Kerntätigkeit herausnehme und diese als Schwerpunkt wähle. § 33 Satz 1 StBerG formuliere den Rechtsschutz nicht als Kerntätigkeit. Tatsächlich hätten die meisten Steuerberater keinerlei Prozesserfahrung vor den Finanzgerichten und müssten ihre Mandanten an Fachanwälte für Steuerrecht sowie an die wenigen forensisch versierten Steuerberater verweisen. Ein Tätigkeitsschwerpunkt sei nie „unsachlich“, sondern höchstens unzutreffend. Eine Benennung beruhe ausschließlich auf der eigenen Einschätzung des Steuerberaters und sage nichts über dessen Qualifikation aus, auch wenn der Anschein einer Kompetenz erweckt werde (s. Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, Rn. 29 zu § 57a StBerG).
Soweit das Urteil darstellte, der Steuerberater bediene bewusst ein Klischee, nämlich dass Finanzämter grds. unrechtmäßig handelten, sei dies in keiner Weise ausgesagt worden. Es lasse sich auch nicht aus dem Kanzleischild herauslesen. Dass Finanzämter rechtswidrige Verwaltungsakte in größerer Anzahl produzieren, könne man an der hohen Zahl von Rechtsmitteln ablesen. Im Jahr 2012 wurden gegen die Finanzämter neben 4.139.601 Einsprüchen auch 60.144 Klagen erhoben (nach der Zählweise der Finanzverwaltung). Viele fehlerhafte Steuerbescheide werden gar nicht angefochten.
Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 30. 1. 2014 – StO 1/13) untersuchte in der Berufung nicht, ob der Steuerberater tatsächlich Erfahrung vor Finanzgerichten oder auf dem Gebiet der Abgabenordnung hat, sondern stützte sich auf rechtliche Grundüberlegungen.
Das OLG Karlsruhe widersprach nun in seinem Berufungsurteil der Argumentation des LG Karlsruhe. Es trennte sich von der bisherigen Rechtsansicht, es läge eine Berufsbezeichnung nach § 43 Abs. 2 StBerG vor. Noch in der mündlichen Verhandlung bezeichnete der Vorsitzende dies als gedankliche Fehlüberlegung, die nicht weitergeführt werden brauche. Im Gegensatz zum Landgericht erkannte das Oberlandesgericht keine Kerntätigkeit mehr, sondern verneinte die Möglichkeit, sich mit Rechtsschutz als Tätigkeitsschwerpunkt schwerpunktmäßig auseinandersetzen zu können. Vor allem sei die konfrontative Diktion „polemisch und aggressiv“, was sich insbesondere in dem Wort „gegen“ niederschlage, geeignet, ein in einer solchen Allgemeinheit nicht gerechtfertigtes generelles Misstrauen gegen das Handeln der Finanzämter zu schüren bzw. den Eindruck zu erwecken, dass die Finanzämter unrechtmäßig handeln würden und es gelte, diesen in aggressiv-feindseliger Haltung entgegenzutreten.
Das Oberlandesgericht führt im Weiteren aus, die Gewährung von Rechtsschutz im Sinne der Anerkennung und zwangsweisen Durchsetzung von Rechtsansprüchen
staatlicher Einrichtungen obliege den Gerichten. Es sei daher nicht der Fall, dass Steuerberater selbst die Kompetenz haben, sich mit der Gewährung von Rechtsschutz zu beschäftigen.

V. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Gegen das Urteil des OLG Karlsruhe wurde Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt (StBST (B) 1/14). Der Steuerberater wendet sich gegen die Einengung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und die fehlerhafte Überinterpretation des Kanzleischilds. Er sieht seine gesellschaftliche Aufgabe in der kritischen Beurteilung des Handelns der Finanzämter und also in der Gegenposition. Dem intensiv besteuernden Staat schulde der Steuerberater nichts. Seine Aufgabe sei es es vielmehr, seine Mandanten gegen fehlerhafte Festsetzungen der Finanzämter zu schützen. Er kontrolliere, ob Behörden und Gerichte das Recht richtig anwenden, und sei somit Teil des Rechtsschutzsystems.
FAZIT
Was die Generalstaatsanwaltschaft als Anschuldigung entwirft, entspricht in der Realität dem positiven Wunschbild der Mandanten. Wähnen viele Bürger doch den
Steuerberater als „verlängerten Arm“ der Finanzämter. Steuerberater sind indes aus dem Vertragsverhältnis verpflichtet, ihren Mandanten Rechtsschutz gegenüber
den Finanzämtern zukommen zu lassen und sich in ihrer Tätigkeit für die Interessen der Steuerpflichtigen einzusetzen. Die Ausschöpfung legaler Rechtsmittel stellt weder ein rücksichtsloses Vorgehen noch eine Herabsetzung von Berufskollegen dar.

AUTOR
Heinrich Braun, Dipl.-Kfm. und Steuerberater, ist in eigener Kanzlei in Mannheim (Oststadt)
tätig. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf Finanzgerichtsverfahren.